Fraunhofer Institut IGB:
Eisfreie Tragflächen durch Nanostrukturierung
Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart haben nanostrukturierte Oberflächen entwickelt, auf denen Wasser abgestoßen wird und sich auch bei Minusgraden nahezu kein Eis bildet.
Thermographisches Bild eines Wassertropfens
Thermographisches Bild eines stark unterkühlten, immer noch flüssigen Wassertropfens auf einer plasmafunktionalisierten nanostrukturierten Folie.
Bild: Fraunhofer IGB
Sicherheit geht vor, auch im Flugverkehr. Die Auswirkungen tiefer Temperaturen in diesem Winter hat fast jeder Flugreisende zu spüren bekommen. Fällt das Thermometer unter Null Grad, müssen zugefrorene Tragflächen von Flugzeugen zuvor mit Enteisungsmittel enteist werden. Eis auf den Flügeln stört die Aerodynamik - die für den Auftrieb notwendige Strömung könnte abreißen. Auch während des Flugs wird Vorsorge getroffen. Ein Teil der heißen Triebwerksabluft wird umgelenkt und in die Tragflächen geleitet. Diese werden damit quasi beheizt, um ein erneutes Zufrieren zu verhindern. Kostspieliger und klimaschädlicher Effekt: Der Kraftstoffverbrauch des Flugzeugs kann um bis zu 30 Prozent steigen.
Forscher am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickeln daher zusammen mit Partnern in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreuten Verbundprojekt »Nanodyn« eine Anti-Eis-Ausrüstung für Kunststoffoberflächen. Hierfür erzeugen sie wasserabweisende mikro- und nanostrukturierte Schichten, auf denen Wasser auch bei Temperaturen unter Null Grad flüssig bleibt und sich somit erst gar kein Eis bildet. Der Grund: Die Schichten bieten dem Wasser, das gefrieren will, keine Kristallisationskeime auf der Oberfläche und es verbleibt in einem »stark unterkühlten« (engl. supercooled) Zustand. »Und selbst wenn das Wasser gefriert, vermindert unsere Anti-Eis-Ausrüstung die Haftung von Eis um mehr als 90 Prozent«, bestätigt Dr. Michael Haupt, Projektleiter am Fraunhofer IGB, die Versuchsergebnisse in der Eiskammer bei Minus 30 Grad.
Die strukturierten Schichten scheiden die Forscher mittels Plasmatechnologien auf Kunststofffolien aus schlag- und stoßfestem Polyurethan (PU) ab. Die Folie wird hierzu in eine Vakuumkammer geführt, in der ein sogenanntes Plasma die Oberfläche modifiziert. In einem Plasma werden Gasmoleküle durch Anlegen einer hochfrequenten elektrischen Spannung angeregt und fragmentiert. »Die hochreaktiven Gasmolekülbruchstücke können nun auf der Oberfläche der Folien angekoppelt werden: es bildet sich eine Schicht«, erläutert Dr. Michael Haupt. »Durch Optimierung verschiedener Prozessparameter wie der Art und Menge des eingesetzten Plasmagases, der Temperatur, dem Druck und der Behandlungszeit können wir sehr dünne nanostrukturierte Schichten erzeugen.« Diese geordneten Strukturen sind nur wenige Nanometer groß, haben aber einen großen Einfluss auf die Benetzungseigenschaften: Wird Wasser auf die Folienoberfläche gebracht, zieht es sich zu einem kugelförmigen Tropfen zusammen, der dann aufgrund der nur minimalen Wechselwirkung mit der Oberfläche von ihr abgestoßen wird.
Und wie kommt die Folie auf die Flugzeugtragflächen? »Wir können das entwickelte Verfahren in den industriellen Maßstab übertragen. Einer unserer Projektpartner, ein Anlagenhersteller, kann ganze Folienbahnen in großen Plasmakammern Rolle-zu-Rolle beschichten«, sagt Dr. Michael Haupt. Und die nanostrukturierte Folie könnte dann einfach auf die Tragflächen geklebt werden. Die teure Enteisung von Flugzeugen, große Mengen an Enteisungsmitteln, vor allem aber Flugbenzin könnten eingespart und damit erhebliche Mengen CO2-Emissionen vermieden werden.
Quelle: Fraunhofer Institut IGB