In Praxis und Klinik:
Medizin wird digitaler - auch in Deutschland
Deutschlands Krankenhäuser und Arztpraxen werden digitaler. Zugleich messen Ärztinnen und Ärzte der Digitalisierung eine steigende Bedeutung für das Gesundheitswesen bei und mahnen einen schnelleren Ausbau digitaler Medizin an. So sagen 78% aller Ärztinnen und Ärzte, Deutschland hänge im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems zurück. Das sind deutlich mehr als vor zwei Jahren, als es noch 60% waren. Zwei Drittel (67%) fordern mehr Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, ebenfalls eine deutliche Steigerung gegenüber 2020 (57%). Mehr als drei Viertel der Arztinnen und Ärzte in Deutschland (76%) sehen die Digitalisierung grundsätzlich als Chance für die Medizin - 2020 waren es noch 67%.
Bitkom-Hauptgeschäftsführer
Dr. Bernhard Rohleder
Bild: BITKOM
Das sind die Ergebnisse einer Umfrage, die der Digitalverband Bitkom gemeinsam mit dem Ärzteverband Hartmannbund unter mehr als 500 Medizinerinnen und Medizinern in Deutschland durchgeführt hat. Demnach sind zwei Drittel (64%) der Befragten der Ansicht, digitale Technologien würden die medizinische Versorgung der Menschen grundsätzlich verbessern. Die Hälfte (50%) verbindet damit auch eine Senkung der Kosten für das Gesundheitssystem.
"Die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland haben sich insbesondere in den vergangenen zwei Jahren stark für die Digitalisierung der Medizin geöffnet. Inzwischen erkennt die weit überwiegende Mehrheit, welche Vorteile die Digitalisierung für die medizinische Versorgung hat", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. "Die Corona-Pandemie hat eindrücklich gezeigt, dass Zettelwirtschaft und analoge Verfahren ein Verfallsdatum haben. Zugleich sind durch die Politik zuletzt zahlreiche Weichenstellungen für die Digitalisierung des Gesundheitssektors getroffen worden."
WLAN wird in
Krankenhäusernnschon häufig angeboten
So werden in Krankenhäusern und Arztpraxen bereits vielfach digitalenAnwendungen genutzt oder angeboten, nicht nur in der Verwaltung, sondern ebensonbei Diagnose und Behandlung sowie bei Konsilen mit anderen Medizinerinnen undnMedizinern. Unter den Klinik-Ärztinnen und -Ärzten geben bereits 71 Prozent an,ndass ihr Krankenhaus WLAN für Patientinnen und Patienten bereitstellt. Beinweiteren 20 Prozent ist dies zwar nicht der Fall, die Befragten halten es abernfür sinnvoll. Bei gut einem Fünftel (20 Prozent) werden digitalenAufklärungsbögen vor Untersuchungen oder Eingriffen angeboten und 18 Prozentnhaben in ihrer Klinik eine Tablet-gestützte Patientenaufnahme im Einsatz.nJeweils gut zwei Drittel nutzen in ihrem Haus bislang zwar keine Tablets zurnPatientenaufnahme bzw. digitale Aufklärungsbögen, halten dies aber fürnsinnvoll. "Intelligente digitale Prozesse verringern dennVerwaltungsaufwand erheblich, so dass die Beschäftigten an Kliniken viel mehrnZeit für ihre eigentlichen Aufgaben gewinnen", betont Rohleder.
Bild: BITKOM
Die Hälfte der Ärztinnennund Ärzte
an Kliniken wünscht sich Einsatz von KI
Bei Diagnose und Behandlung ist High-Tech in den Kliniken noch nicht in dernBreite im Einsatz, wird aber von vielen gewünscht. So werden bei einem Fünftelnder Krankenhausärztinnen und -ärzte (19 Prozent) Roboter zur Unterstützung beinOperationen und Eingriffen genutzt. 25 Prozent derjenigen, bei denen dies nichtnder Fall ist, halten Robotik im OP jedoch für sinnvoll. Künstliche Intelligenznetwa zur Auswertung von Röntgen- oder MRT-Bildern ist bei knapp einem Zehnteln(9 Prozent) in der Klinik im Einsatz, weitere 54 Prozent nutzen KI in ihremnHaus nicht, würden dies aber befürworten. Virtual Reality für Trainingszweckenoder Operationen wird bei 8 Prozent genutzt, zwei Drittel (65 Prozent) fändenndie Technologie für ihr Krankenhaus sinnvoll. "Spitzentechnologien wie Robotik,nVirtual Reality und Künstliche Intelligenz werden künftig mehr Menschen denn jenhelfen, gesund zu werden und zu bleiben. Sie helfen Ärztinnen und Ärzten dabei,nzielgenau zu diagnostizieren und individuell zu therapieren", betontnRohleder.
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nAuch telemedizinische Anwendungen finden in der Klinik zunehmend Verbreitung:nBei 32 Prozent werden Telekonsile mit anderen Ärztinnen und Ärztenndurchgeführt, bei 14 Prozent werden Videosprechstunden angeboten, bei einemnZehntel (10 Prozent) werden bestimmte Untersuchungen oder OPs von Fachleutennper Video aus der Ferne unterstützt. "Insbesondere kleinere Kliniken innländlichen Regionen können so von externem Fachwissen profitieren", sagtnRohleder.
Telekonsile sind auch
innPraxen sehr gefragt
In Praxen ist die Nutzung digitaler Angebote noch etwas zurückhaltender. WLANnfür die Patientinnen und Patienten wird bei 21 Prozent der niedergelassenen undnangestellten Ärztinnen und Ärzte in einer Praxis oder einem medizinischennVersorgungszentrum angeboten. Weitere 11 Prozent, bei denen es noch kein WLANnfür die Patientinnen und Patienten gibt, halten dies für sinnvoll. Bei knappneinem Fünftel (18 Prozent) werden Video-Sprechstunden angeboten, weitere 30nProzent erachten dieses Angebot für sinnvoll. Deutlich mehr als die Hälfte (57nProzent) nutzen in ihrer Praxis noch keine Telekonsile mit Fachkolleginnen undn-kollegen, wünschen sich dies aber. Erst bei jedem und jeder Zehnten (11nProzent) werden in der Praxis Konsile mit Hilfe von Telemedizinnrealisiert.
9 von 10 Ärztinnen undnÄrzten kritisieren
hohe Komplexität des Gesundheitssystems
Dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen noch nicht weiter fortgeschrittennist, liegt nach Ansicht der weit überwiegenden Mehrheit aller befragtennÄrztinnen und Ärzte an der Komplexität des Gesundheitssystems (91 Prozent). 80nProzent machen oftmals langfristige Zertifizierungs- und Genehmigungsverfahrennals Hindernis aus und 76 Prozent eine zu starke Regulierung desnGesundheitssektors. Die Digitalkompetenz der Patientinnen und Patienten wirdnvon mehr als der Hälfte als mangelhaft beschrieben (58 Prozent) und die dernÄrzteschaft von einem etwas geringeren Anteil (46 Prozent). Eines der größtennHindernisse für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens sind ausnSicht der Medizinerinnen und Mediziner auch eine zu strenge Auslegung des Datenschutzesn(69 Prozent) sowie der hohe Aufwand für IT-Sicherheit (75 Prozent).
Große Sorge vor
Cyberangriffen auf Praxen und Kliniken
Das Thema IT-Sicherheit bereitet den Ärztinnen und Ärzten sowohl in Klinikennals auch in den Praxen Sorgen. Drei Viertel (74 Prozent) der Ärzteschaft imnKrankenhaus sehen Kliniken in Deutschland häufig nicht ausreichend vornCyberangriffen geschützt. 69 Prozent meinen, Ärztinnen und Ärzte sollten sichnstärker mit IT-Sicherheit beschäftigen - und zwei Drittel (66 Prozent) sorgennsich konkret vor Cyberangriffen auf Krankenhäuser. Immerhin 42 Prozent werdennan ihrer Klinik regelmäßig zum Thema IT-Sicherheit geschult, eine Mehrheit vonnzwei Dritteln (68 Prozent) wünscht sich aber mehr Informationen zum Umgang mitndem Thema. Unter den niedergelassenen und angestellten Ärztinnen und Ärzten innPraxen und Versorgungszentren ist die Sorge vor Cyberangriffen auf Praxen undnmedizinische Einrichtungen mit 83 Prozent sogar noch größer. 82 Prozent sagennzudem, Praxen seien häufig nicht ausreichend vor Cyberangriffen geschützt. ZweinDrittel (68 Prozent) aus dieser Gruppe wünschen sich, dass sich Ärztinnen undnÄrzte generell stärker mit IT-Sicherheit beschäftigen. Drei Viertel (75nProzent) wissen aber auch grundsätzlich über die IT-Sicherheit in ihrer PraxisnBescheid. "IT-Sicherheitsstandards sind gesetzlich sowohl für Krankenhäuser alsnauch für Arztpraxen jeglicher Größe geregelt", betont Rohleder. "Die Umsetzungndieser Vorgaben wird offenkundig sehr ernst genommen." Dabei gehe es nicht nurndarum, Geräte- und Betriebsausfälle zu vermeiden, sondern auch um den Schutznsensibler Patientendaten. "Insgesamt sind die Gesundheitsdaten der innDeutschland gesetzlich Versicherten im internationalen Vergleich herausragendngut geschützt."
Das Fax wird in dernärztlichen
Kommunikation noch häufig genutzt
Auf welchem Weg wird innerhalb des Gesundheitssystems kommuniziert? Auch diesenFrage wurde den Ärztinnen und Ärzten gestellt. Das Ergebnis: Die Kommunikationnverläuft insgesamt noch überwiegend analog. Vor allem das Telefon ist dasnMittel der Wahl - sei es für den Austausch mit Praxen (83 Prozent), mitnKliniken (80 Prozent) oder mit Patientinnen und Patienten (86 Prozent).n Überwiegend E-Mails zur Kommunikation mit anderen Praxen nutzt immerhinnfast jeder und jede Dritte (30 Prozent). In der Kommunikation mit Kliniken istnes ein Viertel (24 Prozent) und mit Patientinnen und Patienten 39 Prozent. DasnFax wird dagegen deutlich häufiger genutzt: 63 Prozent der Medizinerinnen undnMediziner in Deutschland kommunizieren per Fax mit Praxen, 57 Prozent nutzenndas Fax im Austausch mit Kliniken und 16 Prozent zur Kommunikation mitnPatientinnen und Patienten.
Rezepte werden weit
überwiegend auf Papier ausgestellt
Medikamente werden weit überwiegend per Papierrezept verordnet. Gerade einmal 1nvon 100 Ärztinnen und Ärzten stellt regelmäßig auch elektronische Rezepte aus,nweitere 4 Prozent tun dies vereinzelt. 57 Prozent tun dies nicht, können esnsich aber künftig vorstellen. Knapp ein Fünftel (18 Prozent) schließt dies kategorischnaus. "Das E-Rezept gilt für alle Verordnungen und wird künftig ausschließlichndigital erstellt. Damit entfällt die Zettelwirtschaft in Praxen und Apotheken,ndie Versicherten können per Smartphone-App ihre Rezepte einlösen", erklärtnBitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder. "Der Roll-out des E-Rezepts sollte jetztnzügig erfolgen."
Lediglich 6% haben
schon mal eine ePA genutzt
Relativ große Zurückhaltung gibt es noch bei der elektronischen Patientenakten(ePA). Erst 6 Prozent der Ärztinnen und Ärzte haben bereits die ePA vonnVersicherten genutzt. Lediglich 14 Prozent weisen ihre Patientinnen undnPatienten aktiv auf die ePA hin. 29 Prozent der Ärzteschaft nutzen die ePAnnicht, weil sie nicht die nötige technische Ausstattung dafür haben, weitere 13nProzent würden sie zwar gern nutzen, verweisen aber darauf, dass dienPatientinnen und Patienten dies nicht möchten. 18 Prozent schließen die Nutzungngrundsätzlich aus und 20 Prozent wollen sie aus "sonstigen Gründen" nichtnnutzen. Der Anteil der Unentschlossenen ist mit 15 Prozent vergleichsweisenhoch. "Die elektronische Patientenakte ist das Kernstück der Digitalisierungndes Gesundheitswesens und ihre Einführung sollte beschleunigt werden. Doch dienHürden zur Beantragung und Nutzung sind hoch. Das von der Ampel-Koalitionnangekündigte Opt-out muss daher schnellstmöglich umgesetzt werden", sagtnRohleder. Mit dieser geplanten Änderung erhalten alle Versicherten automatischneine elektronische Patientenakte, können dem aber widersprechen.
54% fordern weniger
strenge Auslegung des Datenschutzes
Für viele Ärztinnen und Ärzte sind der Datenschutz bzw. eine aus ihrer Sichtnübertriebene Auslegung von Datenschutzvorschriften ein Hemmschuh. So betonen 71nProzent, strenge Datenschutzvorgaben erschwerten oftmals den medizinischennFortschritt. Im Jahr 2020 lag dieser Wert noch bei 60 Prozent. Mehr als dienHälfte (54 Prozent) fordert, der Datenschutz solle weniger streng ausgelegtnwerden, um den Gesundheitsschutz zu verbessern - 22 Prozentpunkte mehr alsn2020, als erst 32 Prozent diese Meinung vertraten. "Wenn wir es in Deutschlandnnicht schaffen, den Datenschutz in ein ausgewogenes Verhältnis zumnGesundheitsschutz zu bringen, werden die deutschen Patienten medizinischenLeistungen künftig aus Ländern beziehen, denen diese Balance besser gelingt.nDatenschutz muss zuallererst dem Wohl der Patientinnen und Patienten dienen",nso Rohleder. Daten seien die Grundlage einer hoch leistungsfähigen, auf dienindividuelle Situation jedes und jeder Einzelnen abgestimmten medizinischennVersorgung.
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nSo fordern drei Viertel die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland (74 Prozent)neine verbesserte Erschließung versorgungsnaher Daten für mehr Evidenz undninnovative Therapien. 71 Prozent sind generell der Ansicht, Gesundheitsdatennsollten stärker erschlossen und nutzbar gemacht werden - und 61 Prozent sehenndarin sogar eine ethische Verpflichtung. "Mit dem European Health Data Spacenwird auf europäischer Ebene eine einheitliche Infrastruktur und rechtlichenBasis für den Einsatz von Gesundheitsdaten erarbeitet, die zügig beschlossennwerden muss. Auch das im Koalitionsvertrag geplante deutschenGesundheitsdatennutzungsgesetz muss schnell kommen", betont Rohleder. "DienNutzung von Gesundheitsdaten ermöglicht eine verbesserte und schnellere Entwicklungnvon Therapien, Medikamenten und Untersuchungsmethoden, was Millionen Menschennunmittelbar helfen wird - nicht zuletzt bei der Bekämpfung seltener Krankheitennoder der Bewältigung globaler Pandemien."
Quelle: BITKOM