METAV 2022 zeigt Innovationen vom
Mikrofräser-Design bis zum digitalisierten Schrumpffutter
"Wacht endlich aus dem Dornröschenschlaf auf", fordert Prof. Wolfgang Boos, Geschäftsführer der WBA Werkzeugbau Akademie Aachen GmbH in Richtung Werkzeugbau-Branche. Damit weist er darauf hin, dass digitalisierte Prozessketten zukünftig eine überlebenswichtige Rolle spielen. Allerdings bestehen Werkzeuge und Formen nach wie vor überwiegend aus Metall und müssen effizient bearbeitet werden. Deshalb ist es durchaus angebracht, dass neben neuen Themen wie der Digitalisierung auch die Metallbearbeitungstechnologien weiterhin im Fokus des Werkzeugbaus bleiben, damit er wettbewerbsfähig bleibt.
Als erste bedeutende Branchenmesse nach mehr als zwei messefreien Jahren bietet die METAV 2022 vom 08. bis 11. März in Düsseldorf ein Update der Werkzeugtechnik. Spannende Einblicke in ihre Innovationen geben vorab die Aussteller Diebold, Horn und Zecha, stellvertretend für die Hersteller von Präzisionswerkzeugen, die zweitgrößte Ausstellergruppe. Die Bandbreite reicht vom Mikrofräser-Design über temperaturgesteuerte Schrumpfgeräte und digitalisierte Schrumpffutter bis zum HPC-Fräser mit Hitzeschutzbeschichtung.
Ein Stammgast auf der Moulding Area der METAV ist die Zecha Hartmetall-Werkzeugfabrikation GmbH aus Königsbach-Stein bei Pforzheim, die Präzisionswerkzeuge für spezifische Anwendungsfälle und moderne Werkstoffe vorstellt; so zum Beispiel die Mikrofräser, die sich dank neuem Fräserdesign zum produktiven und gleichzeitig hochgenauen Zerspanen von verschiedensten Materialien, Legierungsbestandteilen und Werkstoffhärten bis 70 HRC eignen. Die Mikrofräser der Peacock-Familie sorgen mit einer Formgenauigkeit von bis zu 0,005 mm und einer Rundlaufgenauigkeit von maximal 0,003 mm für exakte Bauteilformen.
Reduzierter Schnittdruck
erhöht Qualität der Elektroden
Für die Elektrodenfertigung gedacht sind die neuen Kugel- und Torusfräser, die über eine extrem kurze Schlicht- und die neuen Torusfräser zusätzlich über eine lange Schruppschneide verfügen. Diese Fräser der Seagull-Werkzeugbaureihe eignen sich für die Herstellung dünnwandiger und filigraner Graphitformen, denn sie arbeiten mit einem deutlich reduzierten Schnittdruck, der bei der Elektrodenfertigung für feinste Konturen, Oberflächen und Maßhaltigkeit sorgt.
Für den Zecha-Anwendungstechniker Andreas Weck zeichnet die neuen Mikrofamilien vor allem das neue Design aus, weil es dem "Anwender aus dem Werkzeug- und Formenbau gleichzeitig feinste Oberflächengüten, hohe Bearbeitungseffizienz und beste Bauteilformgenauigkeit garantiert."
Prima Klima:
Hitzeschutz für sensibles Schrumpffutter
Schrumpfen, Digitalisieren und Wuchten lauten die aktuellen Themen der Helmut Diebold GmbH & Co. Goldring-Werkzeugfabrik aus Jungingen auf der METAV 2022. An den Werkzeug- und Formenbau, die Mikrobearbeitung und die Hochgeschwindigkeitsbearbeitung richtet sich ein Micro-Schrumpfgerät, das Diebold vor allem für Fräser mit kleinem Durchmesser und deren Werkzeugaufnahmen (Kegelgrößen HSK 40, HSK 32, HSK 25 und HSK 20) entwickelt hat. Geschäftsführer Hermann Diebold: "Für unsere intelligenten Schrumpfgeräte spricht, dass die sensiblen Futter nicht überhitzt werden und der Schrumpfprozess sicher und einfach funktioniert."
Das Überhitzen von Werkzeugaufnahmen verhindert eine One-Touch-Funktion, denn sie sorgt dafür, dass auch weniger Geübte gut mit dem Prozess zurechtkommen und Bedienungsfehler der Vergangenheit angehören. Patentierte Pyrometertechnik in der Spule misst während des Schrumpfprozesses die Oberflächentemperatur der Futter und steuert den Prozess schonend für die sensiblen Werkzeughalter. Damit intelligentes Schrumpfen immer nach dem neuesten Entwicklungsstand abläuft, können Kundinnen und Kunden die Software auf der Diebold-Homepage updaten. Außerdem lassen sich Daten über die Schrumpfvorgänge im firmeneigenen Netzwerk protokollieren.
Digitalisierung spielt
wichtige Rolle beim Schrumpfen
Digitalisierung spielt auch eine wichtige Rolle bei der Universal-Wuchtmaschine für Werkzeuge, Schleifscheiben und andere Rotoren mittlerer Größen. In der neuen Software steckt über viele Jahre aufgebautes Know-how, denn die Diebold GmbH wuchtet pro Jahr tausende Werkzeugaufnahmen. Der Geschäftsführer: "Unsere Selbstentwicklung bietet daher benutzerfreundliche Features, die man bisher von solchen Anlagen nicht kennt."
Auf die klassische Steigerung der Produktivität setzt eine schwäbische Hartmetall-Werkzeugfabrik. Die Paul Horn GmbH aus Tübingen präsentiert einen neuen Vollhartmetall-Schaftfräser, dessen neue Hochleistungsgeometrie sich besonders für HPC-Fräsen (High Performance Cutting) von hochfesten Stählen mit hohen Zeitspanvolumen eignet. "Insbesondere bei dynamischen Schruppbearbeitungen sowie bei klassischen Schruppzyklen spielen die Fräser ihre Stärken aus", erklärt Philipp Dahlhaus, Leiter Produktmanagement.
Hohe Laufruhe
dank ungleicher Drallwinkel
Die Tübinger Firma hat bei der Neuentwicklung an vielen Parameter-Stellschrauben gedreht. Bewusst besitzen die Fräser unterschiedliche Drallwinkel: Es kommt zu ungleicher Zahnteilung, die auch beim sehr schnellen Fräsen für hohe Laufruhe sorgt. Auch beim Schlichten zeigt das System Stärken. So führt die hohe Laufruhe beispielsweise beim Umsäumen zu hohen Oberflächengüten. Außerdem verbesserten sie die Stirngeometrie, um so den Schnittdruck beim Eintauchen in einer Helix oder in der Rampe zu reduzieren. Die verbesserten Spanräume bieten im Einsatz eine hohe Prozesssicherheit in Spanformung und -abfuhr.
Das HPC-Fräsen mit hohen Zeitspanvolumen in hochfesten Stählen gelingt nur dann optimal, wenn die Werkstofffrage nicht vernachlässigt wird. Horn setzt auf neue Hartmetall-Substrate und neue Beschichtungsverfahren. So bestehen die Fräser aus der Hartmetallsorte ES3P und erhalten eine HiPIMS-Beschichtung. Dabei handelt es sich um "High Power Pulsed Magnetron Sputtering", das Metallschichten mit Hilfe eines sehr kurz gepulsten Plasmas aufträgt.
Hitzeschild verlängert Werkzeugleben
"Für das Verfahren spricht, dass es den Aufbau von sehr dichten, kompakten sowie gleichzeitig sehr harten und zähen Beschichtungen ermöglicht", sagt Produktmanager Dahlhaus. "Die Schichten besitzen eine sehr homogene Struktur und auch bei komplexen Werkzeuggeometrien eine gleichmäßige Schichtdicke." Die Beschichtung weist eine sehr hohe Haftung auf und sorgt daher für eine hohe Schneidkantenstabilität. Eine nicht zu vernachlässigende Eigenschaft ist die hohe Temperaturbeständigkeit der Beschichtung: Sie dient als Hitzeschild, der die Wärmeeinleitung in den Werkstoff senkt und so dank Standzeiterhöhung das Werkzeugleben verlängert.
Autor: Nikolaus Fecht, Gelsenkirchen
Bilder: R. Eberhard, messekompakt.de, EBERHARD print & medien agentur gmbh
Quelle: VDW, Messe Düsseldorf