EMO 2023:
Mit Big Data zu neuen Geschäftsmodellen
In der Industrie sind frische Ideen für den entscheidenden Vorsprung im internationalen Wettbewerb gefragt. Die intelligente Nutzung von Produktionsdaten beispielsweise macht Maschinen effizienter und ermöglicht völlig neue datenbasierte Geschäftsmodelle. Solche Innovationen werden auf der EMO Hannover 2023 zu sehen sein. Unter dem neuen Claim "Innovate Manufacturing." lädt der VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V.) vom 18. bis 23. September 2023 Fachleute aus der ganzen Welt zur Weltleitmesse der Produktionstechnologie.
Daten sind das neue Öl. Und eine solche Ölquelle liegt, bildlich gesprochen, in jeder Fabrik. In allen Produktionsprozessen fallen riesige Mengen von Daten an. Dieser Datenschatz ist ein wertvoller Rohstoff, den die Industrie, um im Bild zu bleiben, raffinieren und gewinnbringend verwerten kann. So lässt sich mit Erkenntnissen, die aus Big Data gewonnen werden, die Fertigung effizienter, robuster und nachhaltiger gestalten. Außerdem sind völlig neue digitale Geschäftsmodelle möglich, wenn Produktionsdaten systematisch erhoben, professionell verarbeitet und intelligent genutzt werden. Zum Beispiel ist es möglich, Maschinen nutzungsabhängig zu bezahlen, gemessen an der Leistung, die sie in einem bestimmten Zeitraum erbringen.
Nutzen statt besitzen
Damit kann die Produktionstechnik den Wandel zu Abo-Geschäftsmodellen vollziehen: weg vom reinen Maschinenkauf und hin zu zeitlich befristeter und flexibler Nutzung. Ob die Maschine besser dem Betreiber oder dem Hersteller gehören soll, ist letztlich eine nüchterne Kosten-Nutzen-Abwägung.
Datenbasierte Geschäftsmodelle können dabei helfen, der Konkurrenz den entscheidenden Schritt voraus zu sein. "Für deutsche Produktionstechnikhersteller bieten sich vor allem Geschäftsmodelle in Form von Everything-as-a-Service, kurz XaaS, an. Dies sind subskriptionsbasierte Wertversprechen, die industrielle Dienstleistungen mit physischen und digitalen Elementen zu kundenorientierten Lösungen kombinieren", erklärt Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart sowie des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb der Universität Stuttgart.
"Durch die zunehmende Datentransparenz steigt das Kundenverständnis", so der Wissenschaftler. Maßgeschneiderte Lösungen über den gesamten Wertschöpfungsprozess könnten angeboten werden, und neue Bezahlmodelle (zum Beispiel Pay per Part oder Pay per Productivity) sowie die damit einhergehende Verschiebung von Verantwortungsübergängen stärkten die Kundenbindung. Durch Cross- und Up-Selling, so Bauernhansl, sei durch diese Art von Geschäftsmodellen auch in gesättigten Märkten Wachstum möglich. "Die neuen Wertangebote schaffen Differenzierung im globalen Wettbewerb."
Der Werkzeugmaschinenhersteller DMG Mori AG aus Bielefeld hat diese Erkenntnis umgesetzt und liefert im Rahmen eines Angebots namens Payzr inzwischen Anlagen, die der Kunde nutzungsabhängig bezahlen kann. Das Akronym Payzr steht für Pay with zero risk. Der Kerngedanke des Abo-Geschäftsmodells ist es, Kunden genau das zu geben, was sie benötigen und wann sie es brauchen - nicht mehr und nicht weniger.
Im Detail kann Equipment-as-a-Service so aussehen: Der Kunde bestellt, konfiguriert seine Maschinen im Online-Store des Herstellers und erhält die Anlage dann gegen Zahlung einer monatlichen Grundgebühr. Diese kann je nach Konfiguration und Vertragslaufzeit - etwa 12, 24 oder 36 Monate - unterschiedlich ausfallen. Mit der Pauschale sind Wartungen, Service und Versicherungen abgedeckt. Zur Grundgebühr kommen Kosten für die Maschinennutzung hinzu, die der Hersteller über die geleisteten Arbeitsstunden ermittelt. Vorteile für den Kunden beim Modell Nutzen statt Besitzen sind erhöhte Planungssicherheit durch Preis- und Kostentransparenz sowie die Vermeidung langfristiger Investitionsausgaben, so dass Innovationszyklen beschleunigt werden können.
Auch der Werkzeugmaschinen- und Lasertechnikhersteller Trumpf SE + Co. KG aus Ditzingen setzt auf datenbasierte Innovationen. Das Hightech-Unternehmen hat ein digitales Geschäftsmodell namens Pay Per Part geschaffen. Wie das im Detail funktioniert, erklärt Produktmanager Maximilian Rolle: "Bei Pay per Part bietet Trumpf seinen Kunden die reine Maschinennutzung seiner Laservollautomaten der Serie TruLaser Center 7030 an. Dabei steht die Anlage in der Fertigung des Kunden, aber das Trumpf Remote Control Center in Neukirch überwacht und steuert sie aus der Ferne." Auch bei der Programmierung und Einrichtung der Maschine unterstützen die Expertinnen und Experten von Trumpf. "Der Kunde bezahlt am Ende für die gefertigten Teile einen vorab garantierten Preis", sagt Rolle.
Dieses Geschäftsmodell habe den Vorteil, dass der Kunde die Maschine im Dreischicht-Betrieb laufen lassen könne, ohne zusätzliches Personal einzustellen. "Kommt es zu einer Störung oder einem Stillstand, schreiten wir sofort ein. Das steigert die Maschinenauslastung und erhöht die Produktivität", verspricht Rolle. Zudem seien die Experten von Trumpf in der Lage, das Maximum aus den Laservollautomaten herauszuholen. "Dadurch erhöht sich die Effizienz der Fertigung weiter", so der Produktmanager.
Die industrielle Fertigung gilt als eher konservativ und neue Ideen setzen sich nur langsam durch. Das räumt auch Rolle ein: "Bei digitalen Geschäftsmodellen sind viele Kunden erstmal zurückhaltend." Man beobachte aber, dass Dienstleistungen, die den Kunden helfen, die Effizienz und Produktivität zu erhöhen, sehr gut ankommen. "Auch Pay per Part stößt auf immer mehr Interesse. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Anwender weiter steigt", erklärt Rolle.
Bilder: R. Eberhard, messekompakt.de, EBERHARD print & medien agentur gmbh
Quelle: Deutsche Messe AG