MEDIZIN / TheraPRO 2020:
Weniger Bürokratie wagen
Erklärtes Ziel ist die raschere und bessere Versorgung der Patienten: Das im Mai 2019 in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz sieht dazu unter anderem vor, Therapeuten mit größerer Behandlungsautonomie auszustatten. Angestrebt wird "eine Versorgungsform, bei der die Heilmittelerbringer aufgrund einer durch einen Vertragsarzt festgestellten Diagnose und der Indikation für eine Heilmittelbehandlung selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen können" - so der Wortlaut des im TSVG geänderten §125a SGB V. Entsprechende Verträge zwischen den Spitzenverbänden zur sogenannten "Blankoverordnung" sind bis Mitte November 2020 zu schließen, so will es der Gesetzgeber. Eine Gemeinschaftsveranstaltung der Fachmessen MEDIZIN und TheraPro informiert über die vieldiskutierte Neuregelung, die Ärzte und Therapeuten gleichermaßen vor Herausforderungen stellt, aber auch durchaus Chancen auf höhere Effizienz im Gesundheitssystem bietet.
"Heilmittelerbringer ist näher dran am Patienten"
Bei der medizinisch sinnvollen Behandlung von Patienten seien die Heilmittelerbringer bislang an ein "starres bürokratisches Korsett" gebunden, so der Hamburger Physiotherapeut und Osteopath Uwe Harste, der an der Podiumsdiskussion "Die Blankoverordnung kommt" des Georg Thieme Verlags und der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg teilnimmt. "In der Regel ist der Heilmittelerbringer schlicht näher dran am Patienten und kann dessen Fortschritte im Heilungsprozess direkt beurteilen. Deshalb ist es ein wichtiger Schritt, dass hier nun Freiräume geschaffen werden, um Patienten angemessen versorgen zu können. Damit verschiebt sich auch die Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit, was ich jedoch ebenfalls befürworte: Nicht selten wurde in der Vergangenheit durch unnötige Leistungen Geld verschwendet - andererseits mussten Therapeuten, die nach eigener Erfahrung und praktischem Know-how effektiv behandelten, Retaxationen durch die Kassen fürchten. Die Blankoverordnung löst somit viele Probleme auf einmal." Einen Wermutstropfen gebe es dennoch: Ein Direktzugang zu Therapeuten ist weiterhin nicht geplant.
"Koordination zwischen Patient, Arzt und Therapeut"
Auch Dr. Norbert Metke, Vorstandvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) und Impulsreferent der Veranstaltung, begrüßt "grundsätzlich die sogenannte Blankoverordnung, in welcher der Physiotherapeut abhängig vom Verlauf einer Erkrankung die Behandlung selbst auswählt". Kritisch hingegen sehe er, dass es gerade im längerfristigen Verlauf von Krankheiten stets mehrere Therapiemöglichkeiten gebe, die neben der Heilmittelanwendung etwa Gespräche, Medikationen oder eine operative Versorgung umfassten. "Die Auswahl, welche Therapie für die spezifischen Beschwerden des Patienten geeignet ist, hat in Abwägung zueinander alleine der Arzt erlernt." Zu Bedenken sei auch, dass "bei fehlgeschlagenen Behandlungsverläufen zukünftig nicht mehr der Arzt alleine, sondern schwergewichtig der Physiotherapeut haftet. Dennoch gehe ich davon aus, dass der Großteil der Physiotherapeuten im Land auch zukünftig die bisherig bewährte Koordination zwischen Patient, Arzt und Physiotherapeut wählen wird."
Eines ist sicher: Die Gesetzesänderung wird dem berufsübergreifenden Dialog höheres Gewicht verleihen - wenn auch die Blickwinkel naturgemäß etwas unterschiedlich sind. Die Besucher dürfen sich also auf eine sehr lebhafte Diskussion freuen.
Termin:
8. Februar 2020 (Sa.), 16:30 Uhr, Raum C9.2, ICS Internationales Congresscenter, Messe Stuttgart
Bilder: R. Eberhard, messekompakt.de, EBERHARD print & medien agentur gmbh
Quelle: Messe Stuttgart