AMB 2022:
Wissen was läuft -
Digitalisierung in der Metallbearbeitung
Damit aus Daten Informationen werden, müssen viele kleine und große Stellschrauben gedreht werden. Die Durchgängigkeit und einheitliche Sprachen gehören dazu. Ebenso wichtig für ein vollständiges Bild ist, dass möglichst viele Teilnehmer der Prozesskette digital denken und handeln. Die AMB 2022 in Stuttgart vom 13. bis 17. September 2022 wird diesen Lösungen eine Bühne bieten, wie dieser Beitrag zeigt.
Produktivität und technische Verfügbarkeit sind nach wie vor die wichtigen Kenngrößen und somit stets im Blick der Entscheider im produzierenden Gewerbe. Auch in der Metallbearbeitung kommen Herausforderungen wie Nachhaltigkeit und ein kreativer Umgang mit dem Fachkräftemangel hinzu. In einer Art Rundumschlag ist es die Digitalisierung, die hier für Abhilfe sorgen soll, getreu dem Motto "Wissen ist Macht". Immer mehr Sensoren und smarte Programme sorgen dafür, dass rund um die Werkzeugmaschine mehr und mehr Daten gesammelt werden, die weiter verarbeitet entscheidende Informationen liefern, um die Prozesse zu optimieren.
Ein besonders beeindruckendes Resultat hat DMG Mori geliefert und mit Zahlen unterfüttert: Eines der Digitalisierungsziele des Konzerns ist es mithilfe des digitalen Zwilling Produktionen schneller hochfahren zu können. So entsteht mit jeder realen Werkzeugmaschine von DMG Mori auch deren virtuelles Abbild. Dieser digital Twin hilft bereits vor der Installation beim Engineering flexibel automatisierbarer Fertigungssysteme oder im Training. Er liefert ein dynamisches Abbild aller Komponenten, Funktionalitäten und Achsen sowie aller Steuerungsfunktionalitäten von NC und PLC inklusive relevanter Zyklen. So schafft DMG Mori ein Geschwindigkeitsplus von bis zu 40 % beim Hochfahren der Produktion. Gleichzeitig reduzieren sich die Kosten um bis zu 30 % und besonders wichtig für den reibungslosen und effizienten Betrieb: Kollisionen werden vollständig vermieden.
Vorausschauende
Steuerung von Anlagen
Solche Zahlen liefern die Motivation sich intensiv mit der Digitalisierung und der Entwicklung neuer Lösungen zur Fertigungs- und Prozessoptimierung auseinanderzusetzen. So auch German Wankmiller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Grob-Werke: "Industrie 4.0 bietet für den Maschinen- und den Anlagenbau große Chancen und bildet die Grundlage, um ressourcenschonend, flexibel und produktiv die Maschinen und Anlagen zu betreiben. Eine Entwicklung, die lange noch nicht abgeschlossen ist, da es sich um einen agilen Entwicklungsprozess handelt, der ständig im Fluss ist und nahezu wöchentlich neue technische Änderungen hervorbringt."
Im Zuge der Globalisierung sind für ihn digitale Lösungen bereits seit Jahren nicht mehr wegzudenken. Im Gegenteil: Der Bedarf nach Weiter- und Neuentwicklungen von Lösungen und Produkten im Bereich der Digitalisierung wird aus seiner Sicht in der gesamten Branche in den kommenden Jahren weiter steigen. Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand: "Gerade in heterogenen Produktionsumgebungen können Automatisierungs- und Digitalisierungskonzepte die Effizienz der Mitarbeiter und Anlagen stark erhöhen. Doch es müssen auch Schnittstellen geschaffen werden, um Anlagen miteinander zu vernetzen", sagt Wankmiller.
Und er verfolgt dabei einen offenen Ansatz: Dank der Weiterentwicklung universeller Konnektivität und flexibleren Anpassungsmöglichkeiten lassen sich mit den von Grob modular entwickelten Applikationen innerhalb von Grob-NET4Industry nicht nur die Grob-Maschinen, sondern alle Arten von Maschinen und Steuerungen sämtlicher Hersteller in einer ganzheitlichen Digitalisierungs-Plattform anbinden. Dadurch können Anwender die Performance der Maschinen analysieren und Prozesse optimieren. Das will das Unternehmen auf der AMB zeigen: Auf allen Maschinen, die ausgestellt werden, ist Grob-NET4Industry integriert. So kann live erlebt werden, welche Lösungen Grob anbietet, um die Transparenz in der Produktion und Fertigung zu erhöhen.
Die Module innerhalb von Grob-NET4Industry ermöglichen eine Organisation der direkten und indirekten Bereiche rund um die Zerspanung mit dem Ziel, die qualitativ hochwertigen und sehr präzisen Werkzeugmaschinen bestmöglich auszulasten. Ein MES ermöglicht in Kombination mit dem Warenwirtschaftssystem des Anwenders, die Auftragsverwaltung, Planung und Auftragssteuerung auf den Maschinen. Von der Produktionsplanung, -überwachung und -analyse, über die Visualisierung von Vorgängen bei der Werkstückbearbeitung, bis hin zum proaktiven Service und zur Instandhaltung, werden alle Bereiche der Produktion gekoppelt. Die Grob-NET4Industry-Produkte verfügen über Integrationsplattformen für alle Maschinentypen. Ziel ist es, herstellerunabhängige Digitalisierungskonzepte umsetzen zu können und allen Kunden umfangreiche Projektbetreuung anzubieten.
German Wankmiller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Grob-Werke: "Wir haben bereits heute ein attraktives Angebot an Apps, mit denen unsere Kunden Maschinen überwachen und diverse Auswertungen machen können. Der Kunde hat dadurch maximale Transparenz in seinem gesamten Produktionsprozess. Dazu kommen Simulationsmöglichkeiten, Lösungen für den mannlosen Betrieb und ein umfassendes Paket für den Service und die Instandhaltung."
Digitale Zwillinge für
agile Fertigungssysteme
Der Nutzen einer virtuellen Inbetriebnahme mithilfe digitaler Zwillinge und ihre Auswirkungen auf Projekte wurde bei der MAG IAS GmbH untersucht, ein Unternehmen der FFG-Gruppe. Die Analyseergebnisse der Kosten und des Nutzens digitaler Zwillinge im Vorfeld der Einführung zeichneten ein deutliches Bild. Eine Verlagerung oder Aufteilung der Inbetriebnahme führt demnach nicht zu einer Reduzierung des erforderlichen Arbeitsstundenvolumens. Eine teilweise Verlagerung der Inbetriebnahme in die Planungs- und Beschaffungsphase - also parallel zu durchlaufzeitbestimmenden Abschnitten - reduziert vielmehr die reale Inbetriebnahme und damit die Projektdurchlaufzeit. Mit der Digitalisierung der Inbetriebnahme können Funktionstests auch ohne die Anwesenheit eines Bedieners automatisch häufiger wiederholt werden. Durch das Erkennen von sogenannten sporadischen Fehlern und deren Beseitigung während der virtuellen Inbetriebnahme wird der spätere ungeplante Aufwand für die Fehlerbeseitigung nach der Auslieferung reduziert, so die Untersuchungsergebnisse. Aus den Erfahrungen mit dem digitalen Prozesszwilling, der bereits seit einigen Jahren im Einsatz ist, wurde deutlich, wie schnell ein weg- und zeitoptimiertes NC-Programm ohne Kollisionsrisiken in Betrieb genommen werden kann.
Der digitale Prozesszwilling im MAG-Projekt ist ein Arbeitsraummodell, das die Achsbewegungen, die prozessrelevanten Nebenzeiten, die Aufspannvorrichtung, das zu bearbeitende Werkstück und die benötigten Schneidwerkzeuge simuliert. Die NC-Inbetriebnahme ist im Vergleich zu einer SPS-Inbetriebnahme sehr kurz, aber mit deutlichen Qualitäts- und Zeitvorteilen im Ergebnis und war daher auch eine der Motivationen für die Entwicklung des Digitalen Produktzwillings zur virtuellen Inbetriebnahme. Im Zuge der Qualitätsverbesserung und Effizienzsteigerung beim Engineering komplexer Maschinen hat sich der mechatronische Ansatz als bester Hebel erwiesen, bei dem Komponenten parallel als mechanische, elektrische und fluidtechnische Modelle erstellt werden und so ein hoher Standardisierungsgrad erreicht wird. Für die Gespräche auf der AMB 2022 wird besonders auch für die Anwender die Erkenntnis wichtig sein, wie individuell die Betrachtungen durchgeführt werden müssen. Immerhin entstehen Produkte immer projektspezifisch aus einzelnen mechatronischen Komponenten: Maschinen, Automatisierungen, Arbeitsstationen, Messgeräte etc. Das Zusammenspiel der drei unterschiedlichen digitalen Zwillinge Process Twin, Product Twin und Production/System Twin sichert den Nutzen: Jede Produktionswoche früher bzw. jeder steilere Anlagenhochlauf bedeutet für den Anwender höheren Umsatz und trägt positiv zum Ergebnis bei.
Innovatives Steuerungskonzept von Anlagen
Auch Knoll, ein führender Anbieter von Förderanlagen, Filteranlagen und Pumpen für die Metallbearbeitung sowie für automatisierte Montage- und Logistiksysteme, verbessert mithilfe digitaler Lösungen die Prozesse rund um die Werkzeugmaschine. Florian Schomaker, Teamleiter Elektrotechnik bei Knoll, sieht einen deutlichen Trend: "Klar zu erkennen ist eine steigende Nachfrage nach Maschinendaten und deren Anbindung.
Die Daten, die ohnehin entstehen und maßgeblich Indizien zur vorausschauenden Steuerung von Anlagen liefern, möchten zur eigenen Prozessoptimierung genutzt werden. Momentan existiert allerdings nur wenig Akzeptanz für die Schaffung einer Internetanbindung von Peripheriegeräten, da der Aufwand, die gewonnenen Daten zu speichern und zu visualisieren, als zu hoch empfunden wird."
Dennoch sieht er die Notwendigkeit, digitale Zusatzprodukte und Services in das eigene Portfolio aufzunehmen: "Einfache Lösungen zur digitalen Datenvisualisierung werden im Maschinenbau immer gefragter. Daher ist es unerlässlich, als Maschinenbauunternehmen Digitalisierung an Werkzeugmaschinen aktiv voranzutreiben, um am zukünftigen Markt bestehen zu bleiben."
Knoll sieht sich selbst hier als Vorreiter. Auf der AMB in Stuttgart werden die Besucher das komplett eigenständig entwickelte Bedienkonzept SmartConnect kennen lernen. "Unser System Knoll-SmartConnect bietet dem Anwender Möglichkeiten zur Datenverarbeitung, die so bisher an Werkzeugmaschinen-Peripheriegeräten noch nicht möglich war. Durch die Möglichkeit, app-gesteuert sämtliche relevanten Daten einsehen und auswerten zu können, lassen sich für den Kunden mit minimalem Installationsaufwand Peripheriegeräte steuern und Prozesse überwachen und optimieren."
SmartConnect ist eine Art Edge-Computing-Lösung, die gespeicherte Daten direkt auf den Anlagen vorverarbeitet und über Schnittstellen, unter anderem auch drahtlos via Bluetooth, übergeordneten Systemen bereitstellt. "Dabei benötigen wir nicht zwingend eine Cloud-Verbindung. Es bietet sich hier an, beispielsweise auf eine Anbindung an die Umati-Werkzeugmaschinenschnittstelle und/oder auf den OPC UA Mechanismus zu setzen", ergänzt Schomaker.
Spannmittel mit
intelligenter Messtechnik
Die meisten Anwender fragen nicht mehr nach einzelnen Lösungen, sondern beschäftigen sich damit, wie sie einen ganzheitlichen und effizienten Produktionsprozess realisieren können. Das ist auch die Erfahrung von Stefan Nitsche, Bereichsleiter Hauptprodukte bei Hainbuch: "Wir erkennen den Trend, dass bei uns nicht nur die reine Spanntechnik angefragt wird, sondern der Kunde sich Rüstzeitminimierung durch Schnellwechselsysteme oder intelligente Spanntechnik wünscht. Eine häufige Forderung ist auch die Minimierung der Ausschussquote durch eine In-Line-Messung während des Produktionsprozesses. Aus unserer Sicht ist die Integration von elektrifizierten Produkten im Arbeitsraum Stand-der-Technik geworden", ordnet er das Thema ein.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Arbeit getan wäre - im Gegenteil. Greifbare digitale Lösungen sind wichtiger denn je: "Um digitale Zusatzprodukte und Services kommen Firmen nicht mehr herum, denn so gut wie jeder ist heutzutage digital unterwegs. Auch im Maschinenbau, wo sich die Zahnräder noch etwas langsamer drehen, wünschen sich die Kunden mehr und mehr digitale Angebote. Um sowohl interne Abläufe als auch Serviceangebote für Kunden zu digitalisieren, haben wir 2018 die Abteilung Digitale Transformation gegründet", sagt Nitsche.
Damit die Digitalisierung ein Erfolg wird, müssen jedoch wesentliche Aspekte berücksichtigt werden: "Zum einen müssen die Werker/Maschinenbediener mit einer einfachen und intuitiven Bedienoberfläche abgeholt werden. Das Ziel muss sein, dass Mensch und Roboter in einer Art Symbiose das Maximale für ihr Unternehmen leisten können. Nicht alle Automatisierungslösungen lassen sich komfortabel via Plug-and-use anbinden. Oft sind ältere Bestandsmaschinen dafür nicht ausgelegt. Darum haben wir Vischer & Bolli Automation in die Hainbuch-Gruppe aufgenommen. Sie arbeiten als Generalunternehmer und beleuchten den kompletten Prozess individuell aus Kundensicht. Das Lösungsspektrum beinhaltet nicht nur die Verknüpfung zwischen Werkzeugmaschine und Automatisierung, sondern auch die Spanntechnik und die Werkzeugbereitstellung. Dabei betrachten sie auch die Logistik bzw. die hauptzeitparallelen Tätigkeiten und bringen diese in Einklang", erklärt Nitsche.
Zur AMB wird Hainbuch auch neue Hardware zeigen: "Wir haben Spannmittel mit integrierter, intelligenter Messtechnik - unsere IQ Reihe - im Gepäck. Damit sind dank integrierter Sensorik viele verschiedene Messungen und Überwachungen möglich. Sogar Messmaschinen lassen sich teilweise einsparen. Über berührungslose Daten- und Energieübertragung werden die Messdaten direkt an die Maschinensteuerung geleitet und ausgewertet", gibt Nitsche einen Einblick in den Messeauftritt.
Bilder: R. Eberhard, messekompakt.de, EBERHARD print & medien agentur gmbh
Quelle: Messe Stuttgart