Flectofold:
Gelenklose Fassadenverschattung
nach Vorbild der Unterwasserschnappfalle
Adaptive Verschattungssysteme für doppelt gekrümmte Außenfassaden haben eine Schwachstelle: Ihre Dauerfestigkeit. Um eine vollständige Abdeckung zu gewährleisten, besteht die Verschattung bei solchen Fassaden aus vielen Einzelelementen. Die komplexe Ansteuerung dieser Elemente und die Bewegungsumsetzung über mechanische Gelenke und Scharniere sind ursächlich für Systemstörungen und mechanischen Abrieb, wodurch das System frühzeitig versagt.
Forscher der Universitäten Stuttgart, Freiburg und Tübingen fanden innerhalb ihrer Arbeit im Transregio 141 einen interessanten Lösungsansatz in der Natur.
Pflanzen bewegen sich gelenklos durch eine Änderung des Zellinnendruckes. Die äußere Gestalt wird durch ihre anisotrope, innere Materialstruktur vorgegeben, die an Faserverbundkunststoffe aus Verstärkungsfasern und umhüllender, formgebender Matrix erinnert. Durch gezielte Ausrichtung der Fasern im Bauteil können - ähnlich den pflanzlichen Vorbildern - anisotrope Materialeigenschaften generiert werden. Steife und elastisch verformbare Bereiche innerhalb eines Bauteils sind so in einem Schritt herstellbar.
Vorbild für den Flectofold ist die Unterwasserschnappfalle Aldrovanda vesiculosa, eine frei schwimmende fleischfressende Wasserpflanze. Ihre Blätter sind winzige Fangschalen - sehr ähnlich denen der Venusfliegenfalle. Mit ihnen fängt Alrovanda vesiculosa Zooplankton im Umkreis von 20 Metern. Der Schließvorgang wird durch eine Änderung des Zellinnendrucks verursacht. Darüber hinaus unterstützt die Vorspannung der Mittelrippe die schnelle Bewegung der Falle. Im Gegensatz zur Venusfliegenfalle gibt es bei Aldrovanda vesiculosa eine kontrollierte Bewegung der Fangblätter ohne Durchschlagen.
Die Forschungsgruppe hat das Bewegungsprinzip der Unterwasserschnappfalle in mehreren Schritten abstrahiert und als "curved-line folding"-Prinzip in die technische Anwendung übertragen. Im Flectofold sind zwei steife Flügel mit einer starren, elliptisch geformten Mittelrippe über eine Biegezone mit geringerer Steifigkeit verbunden. Die Faltbewegung wird durch Biegen der Mittelrippe ausgelöst.
Das auf biologischen Prinzipien beruhende Verschattungssystem besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Durch unterschiedliche Faserorientierungen und Laminatdicken innerhalb des Materials entstehen Bereiche mit unterschiedlichen Steifigkeiten für Flügel, Mittelrippe und Biegezone.
Vorläufige Tests zeigen, dass der Flectofold skalierbar ist, wodurch weitere Anwendungsfelder denkbar sind. Durch das "curved-line folding"-Prinzip kann eine doppelt gekrümmte Fassade vollständig abgedeckt werden.
Halle 4, Stand CO4
Quelle: Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf