Tanz auf der Schneide:
Diamantenfieber oder Hartmetallrealität?
Marilyn Monroe wusste es damals einfach nicht besser: "Diamonds are a girl's best friends" trällerte sie vor über 50 Jahren - inzwischen gehören Diamanten längst auch zu den besten Freunden innovativer Leichtbauwerkstoff-Zerspaner. Sie liefern sich dabei ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Hartmetallen, die genauso zum Leichtbau-Freundeskreis zählen. Die METAV 2014 vom 11. bis 15. März in Düsseldorf bietet beiden ein Forum.
Die große Bandbreite heutiger Leichtbauwerkstoffe erfordert auch eine entsprechende Breite beim Einsatz von Schneidstoffen. Nach Einschätzung von Dr. Steffen Reich, Leiter Forschung und Entwicklung der GFE - Gesellschaft für Fertigungstechnik und Entwicklung Schmalkalden e.V., wird neben dem Einsatz "klassischer" Schneidstoffe des Leichtbaus, wie Polykristalliner Diamant (PKD) oder Monokristalliner Diamant (MKD), "der Einsatz von beschichteten (nicht diamantbeschichteten) Hartmetallen perspektivisch an Bedeutung gewinnen. Denn die unübertroffene Universalität des Hartmetalls erlaubt die Bearbeitung nahezu jeder beliebigen Materialkombination. Darüber hinaus sind auch klare Vorteile im Bereich der Beschaffungskosten vorhanden".
Der Einsatz monokristalliner Diamanten, so Reich, "wird sich auch weiterhin auf die 'edle Nische' der Erzeugung von Hochglanzoberflächen beschränken. Dort gibt es bislang keine wirkliche Alternative. Ein Einsatz in weiteren Bereichen, die auch durch andere Schneidstoffe abgedeckt werden können, ist auf Grund der hohen Kosten nicht zu erwarten". PKD und durch chemische Gasphasenab¬scheidung beschichtete CVD-Dickschicht-Diamanten stellen sicher in einigen Anwendungsfeldern konkurrierende Schneidstoffe dar. Dabei liegt der Einsatz von PKD schwerpunktmäßig eher im Bereich der Schruppbearbeitung, während der CVD-Dickschicht-Diamant typischerweise im Bereich der Schlichtbearbeitung eingesetzt wird. Nachdrücklich weist der Schmalkaldener Experte aber darauf hin, dass nicht alle Leichtbauwerkstoffe mit Diamant, in welcher konkreten Form auch immer, bearbeitbar sind: "Hier sind andere Schneidstoffe, wie beschichtetes Hartmetall, erforderlich."
METAV 2014 zeigt Lösungen zur
optimalen Leichtbauwerkstoff-Zerspanung
Die Frage nach der längeren Standzeit sei so "weder sinnfällig noch seriös zu beantworten", denn die Antwort hänge vom Einsatzfall und Art des Schneidstoffs ab: "Natürlich wird bei einem rein abrasiven Verschleiß der härtere Diamant Vorteile gegenüber dem Hartmetall haben. Sind jedoch andere Verschleißmechanismen vorhanden (Diffusion, Adhäsion etc.), oder gar dominierend, kann der Vorteil auch beim Hartmetall liegen."
Wie auch in anderen Bereichen der Zerspanung sollte die Auswahl der Werkzeuge nicht nach der Standzeit, sondern nach den Fertigungskosten erfolgen. Es könne also durchaus sinnvoll sein, ein Werkzeug einzusetzen, das im Vergleich zu einem Wettbewerbsprodukt eine geringere Standzeit aufweist, aber beispielweise durch höhere Zerspanparameter geringere Fertigungskosten ermöglicht.
Bei der Bearbeitung von CFK-Bauteilen und Sonderwerkstoffen wie beispielsweise Graphit haben sich inzwischen Diamantbeschichtungen einen festen Platz erarbeitet. Sie konkurrieren hier in einigen Anwendungen insbesondere mit dem PKD. Weitere Verbesserungen bezüglich der Morphologie in der Kantenschärfe sind in Zukunft zu erwarten. Leider, so Reich, "ist das Problem der Entschichtung bislang nicht gelöst. Daneben gewinnen zunehmend auch andere Kohlenstoffschichten an Bedeutung. Deren Schwerpunkt liegt insbesondere in der Bearbeitung von Materialien mit hoher Adhäsionsneigung".
Eine zunehmend wichtiger werdende Möglichkeit, den Anwendungsbereich der Schneidstoffe zu erweitern, ist die Laserbearbeitung von Kubisch-Kristallinen-Bornitrid(CBN)- und Diamantwerkstoffen. "Durch das Einbringen von Spanleitgeometrien und Schneidkantenpräparationen kann der Einsatzbereich der Schneidstoffe erweitert werden. Die bis vor wenigen Jahren vorhandenen Restriktionen, insbesondere bezüglich der Spanleitgeometrien, konnten überwunden werden. Das kommt insbesondere der Prozesssicherheit der Werkzeuge zugute und gleicht im Wettbewerb mit anderen Schneidstoffen, z. B. diamantbeschichtetem Hartmetall, vorhandene Defizite aus", erläutert Reich. Auf der METAV 2014 werden zwar "keine technischen Neuerungen in großer Breite erwartet, wohl aber interessante Gespräche".
Hartmetall für kleine Durchmesser -
Diamant und CBN für stabile Prozesse in der Serie
Nach Ansicht von Dr. Stefan Sattel, Leiter Forschung & Entwicklung der Gühring KG, Albstadt, kommen Hartmetallwerkzeuge vor allem bei Durchmessern mit weniger als 10 mm zum Einsatz: "Mit Hartmetall sind auch bei den kleinen Durchmessern problemlos komplexe Geometrien für Bohrer und Fräser realisierbar." Für die effiziente Zerspanung hybrider Strukturen, wie zum Beispiel Kombinationen aus CFK, Alu, Titan und VA-Stahl, seien Vollhartmetallwerkzeuge ebenfalls unentbehrlich.
PKD-/CBN-Werkzeuge dagegen versprechen stabile Prozesse in der Serien-fertigung: "Dank der scharfen Schneiden ist ein sauberes Durchtrennen der Fasern möglich. Auch abrasive Verbundwerkstoffe können delaminationsfrei zerspant werden. Außerdem sind hohe Schnittgeschwindigkeiten realisierbar."
"Beide Schneidstoffe bringen außerordentlich gute Eigenschaften bei der spanenden Bearbeitung mit sich und haben je nach Anwendung verschiedene Vorteile. Hierbei eröffnet der Einsatz von selbstschärfenden Geometrien gänzlich neue Möglichkeiten bei der Bearbeitung von Leichtbauwerkstoffen", sagt Sattel. Um maximale Standwege zu erreichen, seien Diamantbeschichtungen in Verbindung mit Hartmetall-Werkzeugen unbedingt notwendig: "Der Trend geht klar zu nanostrukturierten Schichten für maximalen Verschleißschutz." Von der METAV 2014 erwartet der F&E-Chef : "Fortschritte beim Einsatz schwingungs-unterstützter Zerspanung (oszillierender Vorschub), neue Trends bei laserbearbeiteten Diamantwerkzeugen und neue Erkenntnisse über den Einsatz von Kryotechnik bei Zerspanprozessen für CFK-Materialien."
Geometrieoptimierung
auf den Anwendungsfall
Peter Büttler, Director Business Development der Komet Schweiz AG und Verantwortlicher für die Leichtbauaktivitäten der Komet Group, Besigheim, macht klar: "Die Entwicklungsschwerpunkte liegen hauptsächlich in der Geometrie-optimierung auf die unterschiedlichsten Bearbeitungsaufgaben und Werkstoffe." Diamantwerkzeuge (PKD) sollten immer unter möglichst stabilen Bearbeitungsverhältnissen eingesetzt werden.
Unbeschichtete oder zum Teil auch diamantbeschichtete Werkzeuge werden vorzugsweise bei manuellen oder Roboterbearbeitungen eingesetzt. MKD oder PKD seien gegenüber Hartmetall "die wesentlichen härteren Werkstoffe und schneiden im Standzeittest wesentlich besser ab".
Für Sönke Lange, Key Account Manager Aircraft der Kromi Logistik AG, Hamburg, ist "nicht immer das angeblich beste Werkzeug auch das wirtschaftlich Sinnvollste". Die Vielfalt an Schichtungen von Leichtmetallen und Faserverbundwerkstoffen erfordere auch unterschiedliche Bearbeitungsstrategien, um beispielsweise eine Delamination zu verhindern. Je nachdem, ob der Bearbeitungsprozess manuell, semiautomatisch oder vollautomatisch geführt wird, ergeben sich völlig andere Anforderungen an das Zerspanungswerkzeug. Der monokristalline Diamant finde dabei ebenso sein Einsatzgebiet wie polykristalline oder beschichtete Werkzeuge.
Wie lange ein Werkzeug ausreichend scharf bleibt, werde im Wesentlichen durch den Prozess selbst bestimmt: "Der Austausch eines stumpfen Werkzeugs im laufenden Prozess ist im allgemeinen wirtschaftlich nicht sinnvoll. Bei seriennahen Prozessen gibt es bei CFK-Werkstoffen deshalb einen Trend zu diamantbeschichteten Vollhartmetall-Werkzeugen, da sie in den abrasiv wirkenden Materialien eine höhere Wirtschaftlichkeit erzielen." Lange ist sich sicher, auf der METAV 2014 wird "die Entwicklung bei der Werkzeugbeschichtung ein Schwerpunkt sein - bspw. wie neue Grundmaterialien den Herstellungsprozess und die Zerspanungseigenschaften der Werkzeuge unterstützen können".
Diamant bleibt länger scharf -
Hartmetall bleibt länger günstig
Heinz Peter Boost, Leiter Produktmanagement der Seco Tools GmbH, Erkrath, bringt die Frage Diamant oder Hartmetall auf den Punkt: "Diamantschneiden überzeugen durch enorme Standzeiten, die gerade in der Serienfertigung von entscheidender Bedeutung sind. Hartmetallwerkzeuge auf Basis von Wendeschneidplatten, sowohl unbeschichtet und poliert als auch beschichtet, ermöglichen dem Anwender eine interessante Alternative, wenn vorrangig Kosten pro Schneide im Vordergrund stehen."
Und die Standzeiten? Auch hier eine klare Antwort: "Diamant bleibt länger scharf, Hartmetall bleibt länger günstig. Immer dann, wenn an den Prozess hohe Anforderungen an Zähigkeit bei ungünstigen Zerspanungsbedingungen gestellt werden, bleiben beschichtete, zähe Hartmetallsorten auch mal gerne länger scharf. Das zeigen neueste Untersuchungen im Rahmen von hochschulnahen Forschungsprojekten, bei denen unbeschichtete, polierte Wendeschneidplatten im Vergleich zu beschichteten und Diamant-bestückten zum Einsatz kamen. Hier überzeugten die beschichteten Hartmetall-Wendeschneideplatten aufgrund der längsten Standzeiten."
Von der METAV 2014 erwartet Boost eine Vielzahl neuer Lösungen für die Leichtbauwerkstoff-Zerspanung und - "wenn man Titan ebenfalls zu den Leichtbauwerkstoffen zählt - von Seco Tools interessante Neuigkeiten in all den genannten Bereichen".
Autor: Walter Frick, Fachjournalist aus Weikersheim
Bilder: R. Eberhard, messekompakt.de, EBERHARD print & medien agentur gmbh
Quelle: VDW